Ernst nehmen

„Die Flüchtlinge sollen wieder nach Hause gehen. Die gehören nicht hierher!“

„Und wen suchst du dir dann als Feindbild zum Puschen deiner Mickrigkeit? Die Linken, die Homosexuellen, die emanzipierten Frauen, die Vielfältigen, die Andersdenkenden, die Religiösen, die guten Menschen, die Mitfühlenden, die Schwarzen, die Freidenker, die Humanisten, die Veganer, die jungen Weltbürger? Oh, ich vergaß, die hast du ja alle schon auf deiner Abschussliste. Ich könnte dir dann noch die Linkshänder, die Brillenträger, die Fußschwitzer oder die Nacktschläfer anbieten.“

„Du nimmst mich nicht ernst!“

„Oh doch, ich nehme dich sehr ernst. Ernster als du dich selbst.“ 

Miteinander reden?!

"Wir verteidigen doch nur unsere alten, christlichen Werte, Frau Müller!"

"Die da wären?"

"Zucht und Ordnung, Gehorsam, Pflicht und Vaterland!"

"Sonst noch was?"

"Deutschland den Deutschen!"

"Schon mal was von Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Mitgefühl, Demut, Hingabe, Vergebung gehört?"

"Jetzt kommen Sie mir aber nicht mit diesem Gutmenschen Scheiß, Frau Müller! Ich habe Sie wirklich für intelligenter gehalten."

"Ich glaube wir kommen da nicht auf einen grünen Zweig miteinander."

"Grüner Zweig? Ganz genau. Weihnachten. Ein urdeutsches Fest. Haben schon die Germanen gefeiert. Lange vor dem, der da am Kreuz rumhängt und vor dem Mochamed, oder wie der heißt. Aber klar, die wollen ja alles kaputt machen. All unsere christlichen Werte!"

Warum tue ich mir solche Gespräche an? Weil, es könnte ja jemand dabei sein, der nicht ganz so verbohrt und deppert ist. Und weil ich freundlich bin und antworte, wenn das Intro nicht sofort mit Schimpfwörtern unter der Gürtellinie beginnt. Ich frage mich eher, warum wollen solche Menschen ausgerechnet mit mir schreibend kommunizieren? Was haben die davon? Haben die was davon?

*Anmerkung

Das Gespräch ist ein verkürzter Blick auf einige Gespräche bei Facebook. Die Rechtschreibung und Grammatik habe ich ein wenig verbessert, der Lesbarkeit halber.  


Mehr denn je

Gilt es zu verstehen: Fanatische Menschen jedweder Couleur haben ein Menschenbild, das hierarchisch unterteilt ist. Für die "unten", für die "anderen", für die "minderwertigen" gibt es kein Mitgefühl, keine Barmherzigkeit, keine Gnade und kein Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Ja, es gibt für "die da" auch kein Recht auf Leben. Das ist kein Spiel. In unserer wohlgeordneten kleinen Welt, in unserer Behaglichkeit, in unserer scheinbaren Rundumversorgung, in unserer Trägheit und Bequemlichkeit übersehen wir das gerne. Das Erwachen wird schmerzhaft sein. Für jeden Einzelnen von uns.

Spargel

„Ich bin froh, dass ich keine Ausländer mag, sagte der Horst zum Alexander, denn würde ich Ausländer mögen, müsste ich ja welche kennen – und ich kann Ausländer einfach nicht ausstehen!“*

*frei nach Lewis Carroll

Ein Gespräch mit dem Soziologen Wilhelm Heitmeyer.

Erwachen aus wutgetränkter Apathie

Was der Kapitalismus mit dem Wahlerfolg der AfD zu tun hat - und warum ihre Anhänger einen "autoritären Nationalradikalismus" vertreten. Ein Gespräch mit dem Soziologen Wilhelm Heitmeyer. Interview von Markus C. Schulte von Drach
Wilhelm Heitmeyer, 72, war bis 2013 Direktor des Institus für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Seit den 80er Jahren untersuchte er Rechtsextremismus, von 2002 bis 2012 lief seine Langzeitstudie zur "gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit".

SZ: 12,6 Prozent der Wählerstimmen für die AfD, Rechte ziehen wieder in den Bundestag ein. Es ist die Rede von einem Rechtsruck in Deutschland. Der Erfolg der AfD dürfte Sie nicht überrascht haben?

Wilhelm Heitmeyer: Das ist kein plötzlich eintretendes Ereignis. Ich habe bereits 2001 vor einer Entwicklung gewarnt, deren Gewinner ein rabiater Rechtspopulismus sein würde. Unsere These war damals: Mit Hilfe der Globalisierung breitet sich ein autoritärer Kapitalismus aus, der einen erheblichen Kontrollgewinn über die Gesellschaft erzielt. Zugleich führt er zu einem Verlust der Kontrolle nationalstaatlicher Politik.

In Teilen der Bevölkerung wird es außerdem so wahrgenommen, dass sie auch selbst Kontrolle verlieren - über die eigene Biografie, und auch über die Politik. Das führt bei ihnen zu einer Demokratie-Entleerung und zu Desintegration. Dadurch wächst die Gefahr, dass diese Menschen ihr Heil bei den Rechten suchen, die ihnen versprechen, ihnen die Kontrolle zurückzugeben. Wie das Wahlergebnis zeigt, lagen wir mit unserer These wohl nicht ganz falsch.

Wir sollten zunächst einige Begriffe klären: Was meinen Sie mit "autoritärem Kapitalismus" und inwiefern beeinflusst er die Politik?

Internationale Unternehmen können seit Langem - und zwar auch politisch unterstützt durch die Deregulierungs-Doktrin - ihre Interessen gegen Regierungen durchsetzen, zum Beispiel weil aufgrund von Standortfaktoren inzwischen nicht mehr nur Konkurrenz zwischen Firmen besteht, sondern zwischen Ländern. Wenn damit gedroht wird, Arbeitsplätze auszulagern, lassen sich nationale Regierungen erpressen und geben einen Teil ihrer Kontrolle über die Wirtschaft preis.

Haben Sie Beispiele? Finanzkrise? Bankenskandal? Dieselskandal?

In allen diesen Beispielen gab es nur Anpassungen an die Forderungen des Kapitals, die sich eben der Deregulierung bedient haben. Kanzlerin Merkel hat das auch noch mit dem Satz der "marktkonformen Demokratie" überhöht und damit einen markanten Beitrag zur Demokratie-Entleerung beigesteuert. Ein "demokratiekonformer Markt" wäre eine bessere Idee gewesen.

Sozial Schwache sehen auf noch schwächere herab
Und inwiefern hat der Kapitalismus Kontrolle über die Gesellschaft gewonnen?

Gruppen von Menschen werden inzwischen vielfach nach ökonomischen Kriterien bewertet, also nach ihrer Verwertbarkeit, ihrer Nützlichkeit und Effizienz. Das sind Prinzipien, die für die Wirtschaftsleben funktional sind. Aber sie sind immer stärker in die Lebenswelt der Bevölkerung eingedrungen und haben in allen Schichten auch zu einem ökonomistischen Denken geführt.

Dadurch werden besonders bestimmte Gruppen abgewertet und diskriminiert, wir nennen das "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit": Betroffen sind Langzeitarbeitslose, niedrig qualifizierte Migranten, Flüchtlinge, Obdachlose, Behinderte. Die sozial Schwachen sehen dann auf die noch schwächeren herab. Und seit einigen Jahren klagen auch jene mit hohem sozialen Status darüber, dass sie als Leistungsträger alle anderen mitschleppen sollen. Es ist zu befürchten, dass dieses Denken weiter um sich greift.

Die Solidargemeinschaft, wie es sie in den 1990er Jahren noch gab, erodiert unter dem massiven Druck der Durchsetzungs- und Konkurrenzlogik des Kapitals, dem die herrschende Politik folgt. Wenn dann Teile der Politik gleichzeitig vom gesellschaftlichen "Zusammenhalt" reden, dann ist das bloße Ideologie und Ablenkung.

Sie haben außerdem vor Desintegration und Demokratie-Entleerung gewarnt. Was meinen Sie damit?

Integriert sein bedeutet, dass Menschen Zugang zu den Institutionen der Gesellschaft wie dem Arbeitsmarkt, dem kulturellen und politischen Leben haben, und auch - das ist sehr wichtig - dass sie sich als anerkannt wahrnehmen. Das Wahrgenommenwerden und die Anerkennung sind für viele aber nicht gewährleistet. Das gilt nicht nur für Zugewanderte und Flüchtlinge, sondern auch für Einheimische, vor allem für viele Menschen im Osten. Nach der Wiedervereinigung wurde bei vielen die Leistung eines ganzen Lebens entwertet. Ganze Landstriche sind dort desintegriert.

Menschen haben das Gefühl, dass sie oder die Gruppe, der sie sich zugehörig fühlen, in der Politik keine Stimme haben, dass sie überhaupt nicht wahrgenommen werden. Und bekanntlich ist der, der nicht wahrgenommen wird, ein Nichts. Das wiederum schwächt den Glauben an die Demokratie. Sie verliert an Bedeutung. Es kommt zu einer Demokratie-Entleerung. Das heißt, der Apparat läuft zwar wie geschmiert, aber die notwendige Substanz des Vertrauens verflüchtigt sich.

Das geschieht schleichend schon seit langem. Bereits 2002 konnten wir feststellen, dass etwa 20 Prozent der Bevölkerung rechtpopulistisch eingestellt sind. Ein Teil war wahlpolitisch gesehen bei anderen Parteien unterwegs oder ausgeklinkt. Oder sie sind in ihrer Hoffnungslosigkeit und ihrem Unterlegenheitsgefühl in eine wutgetränkte Apathie verfallen. Bei Pegida und der AfD haben dann viele offenbar das Gefühl gehabt, hier gebe es einen Ort, wo sie sich endlich Gehör verschaffen können.

Wieso setzen diese Menschen ausgerechnet auf eine so weit rechts stehende Partei? Warum nicht auf die Linke - gerade im Osten?

Menschen suchen immer nach etwas, das hilft, sich selbst aufzuwerten, ein positives Bild von sich selbst zu zimmern, egal, was geschieht. Dabei hilft es, sich einer Gruppe zuzuordnen, in der die eigenen Eigenschaften aufgewertet werden. Wer das Gefühl hat, durch nichts anerkannt zu werden, dem bleibt am Ende zumindest das "Deutschsein" - das kann ihm niemand nehmen. Hier kommt es zu einem Übergang von sozialen zu kulturellen Faktoren mit Haltungen der Überlegenheit und der Abwertung von Muslimen, Juden, Homosexuellen, Sinti und Roma.

Die AfD nutzt das aus, indem sie die Bedeutung der nationalen Identität und die Überlegenheit des deutschen Volk betont. Wenn dann noch emotional ausbeutbare Signalereignisse wie die Flüchtlingsbewegung und "Köln" mit ihrer hohen öffentlichen Wahrnehmung hinzukommen, dann haben die aggressiven Mobilisierungsakteure leichtes Spiel, um individuelle, wutgetränkte Apathie in kollektive Machtfantasien zu verwandeln. So eine Aufwertung erfolgt allerdings immer über den Mechanismus der Abwertung anderer. Diese Abwertung haben wir in unserer Langzeitstudie immer wieder beobachtet.

Bei der AfD sind es verstärkt die "Fremden", die Flüchtlinge, die abgewertet werden.

Das geht auf Kosten aller schwachen Gruppen in der Gesellschaft, die wir bereits erwähnt haben. Die AfD nutzt diese Abwertungseffekte, indem sie mit einfachen Weltbildern voller Gegensätze arbeitet. Da heißt es dann Volk versus politische Eliten, Verklärung der deutschen Geschichte versus historische Aufklärung, deutsche Überlegenheit versus Unterlegenheit anderer Völker, geschlossene versus offene Gesellschaft, Identität versus "Überfremdung" und Diversität. Da wird alles ausgepackt, was es an Diffamierungen anderer gibt und die Wut der "Ohnmächtigen" noch beflügelt.

Die Umfragen unter den Wählern zeigen, dass inzwischen auch viele Menschen die AfD wählen, denen es eigentlich gutgeht. Sehen wir hier die Radikalisierung der gesellschaftlichen Mitte und die rohe Bürgerlichkeit, vor der Sie seit Jahren warnen?

Die Abwertung von Gruppen haben wir seit einigen Jahren auch in der Mitte der Gesellschaft beobachtet. Das ökonomistische Denken wie auch die Betonung kultureller Überlegenheit im Sinne einer Ideologie der Ungleichwertigkeit geht, wie gesagt, durch alle Schichten. Und unter den AfD-Wählern sind tatsächlich nicht vor allem Menschen mit unteren Bildungsabschlüssen. Es sind auch viele Menschen mit mittleren Bildungsabschlüssen darunter, und auffällig viele Arbeiter.

Außerdem sind es vor allem die mittleren Altersgruppen, die AfD wählen, Menschen, die sich aktuell weniger um ihren Arbeitsplatz sorgen, aber um ihre Altersversorgung und die Zukunft ihrer Kinder. Und egal, was die Statistiken zur sozialen Ungleichheit sagen - darüber wird ja heftig gestritten -, viele Menschen nehmen es so wahr, dass sie keine großen Aussichten mehr auf einen Aufstieg haben. Dass ihnen im Gegenteil ein Abstieg drohen könnte.

Die AfD steht für einen autoritären Nationalradikalismus
Und die AfD gibt vor, dagegen eine Lösung gefunden zu haben?

Die AfD verheißt denen, die ein Gefühl der Ohnmacht haben, dass sie wieder die Kontrolle zurückbekommen. Indem sie etwa verspricht: "Wir holen uns unser Land zurück", oder wie André Poggenburg fordert: "Deutschland den Deutschen".

Und dann treten auch noch Vertreter der intellektuellen Elite auf und befeuern die Abwertung. Etwa Herr Sarrazin mit seinen muslimischen "Kopftuchmädchen", deren Nachwuchs die Deutschen verdrängen würden. Natürlich distanzieren sich diese Leute sofort vom Vorwurf des Rechtsextremismus oder Neonazismus. Und wir müssen tatsächlich auch vorsichtig sein mit diesen Etiketten, wenn wir von der AfD sprechen.

Wie nennen Sie die AfD?

Jedenfalls nicht rechtspopulistisch. Das ist verharmlosend. Aber auch nicht rechtsextrem oder neonazistisch. Solche Bewegungen arbeiten mit Gewalt. Wird die AfD so genannt, bietet man ihr nur die Gelegenheit, sich effektvoll als verleumdetes Opfer dazustellen. Allerdings müssen wir abwarten, ob sie noch ins Rechtsextreme übergeht. Begriffliche "Durchlöcherungen" der Grenze dorthin gibt es ja schon.

Für mich steht die Partei aber für einen neuen Typus eines autoritären Nationalradikalismus. Eben weil es in erster Linie um die autoritäre Wiederherstellung von Kontrolle geht - über das eigene Leben, über die sozialen Verhältnisse, über die Grenzen. Und auch über die herrschende Politik, die sie nach rechts treiben will. Mit dieser Entwicklung ist Deutschland kein Sonderfall mehr in Europa. Es ist quasi eine nachholende Entwicklung.

Der größte Teil der Gesellschaft lehnt ab, wofür die AfD steht. 87 Prozent der Deutschen haben diese Partei nicht gewählt. Beruhigt Sie das?

Es gibt aber auch bei manchen in der Politik die Neigung, weiter nach rechts zu rücken. Ich bin mal gespannt, was der CSU-Vorsitzende Seehofer tun wird, wo trotz seiner rabiaten Töne zu den Flüchtlingen die AfD in Bayern so eine hohe Zustimmung hat. Auch CDU-Innenminister de Maizière hat mit seinem Vorstoß zu einer Leitkultur auf das Schlagwort Burka gesetzt und so der AfD in die Hände gespielt. Dies alles trägt zur Verschiebung von Normalitätsstandards bei - und führt letztlich zu einer Normalisierung.

Zwar können sich solche Erscheinungen wie Pegida und AfD schnell verändern und auch wieder verschwinden. Aber das Zusammenwirken von autoritärem Kapitalismus, Demokratieentleerung und sozialen Desintegrationsbefürchtungen bleibt ja stabil.

In jüngster Zeit ist ein wichtiger Faktor dazugekommen: Digitalisierung. Einige Politiker wissen zwar schon: Alles wird wunderbar. Aber kein seriöser Experte kann hier belastbare Vorhersagen machen. Und wenn ich dann noch die Forderungen der FDP in Hinblick auf die Wirtschafts-, Flüchtlings- und Sozialpolitik höre, fürchte ich, dass Teile der Bevölkerung eher weiter abgehängt als integriert werden. Dann kommt wieder der autoritäre Nationalradikalismus zum Zuge - in welcher Form auch immer. Das werden wir kaum wieder los.

Was wäre nun zu tun?

Ganz entscheidend wird es sein, eine Politik zu machen, die die Desintegration beendet, also eine Integrationspolitik auch für alle Deutschen, die das Gefühl haben, ausgeschlossen zu sein. Allerdings bin ich kein guter Ratgeber, denn angesichts des weiter ausgreifenden Kapitalismus bin ich sehr pessimistisch. Alle internationalen Untersuchungen, die ich kenne, sagen, dass Anpassungen nach rechts nichts bringen, sondern nur Veränderungen im genannten Zusammenwirken. Ich habe meine Zweifel, ob die herrschende Politik das überhaupt will - und kann.

Wahl 2

Was manche nicht sehen und verstehen wollen: Das Wahlergebnis der Rechtsradikalen bringt die Gewalt auf die Straße, in den öffentlichen Raum, weil in den Köpfen von Rechtsextremen, und auch unbedarft Bekloppter, eben dieses Ergebnis anscheinend ihre Gewalt legitimiert."

"Jetzt übertreiben Sie aber, Frau Müller!"

"Ach ja? Dann schau dich mal in den rechten Foren um, was da seit gestern Abend so alles öffentlich gepostet wird. Ist wie ein Dammbruch. Der kleinste Scheißer fühlt sich plötzlich wie ein gekrönter Henkersknecht und poliert seine verbalen Waffen. Dabei wird es nicht bleiben."

"Das ist bei denen doch alles nur Geschwätz."

"Dann frag doch mal die Menschen, die in den rechtsradikalen Hochburgen im Osten leben. Frag mal die Politikerinnen und Politiker; frag die Leute, die dort anders denken und leben; frag alle die, die bis jetzt schon massiv angegangen und bedroht worden sind. Und das war nichts im Vergleich zu dem, was sich in der nächsten Zeit im Öffentlichen anbahnen wird. Du glaubst, es sei kalt in unserem Land? Dann zieh dich warm an, es kommt eine Eiszeit."

Reine Gewöhnungssache?

"Wagenknecht: Sie haben da Halbnazis in der Partei, Frau Weidel!
Weidel: Aber alles Akademiker!"

Ich könnte ja lachen, mach ich auch, weil ich sonst ersticke.

Was mich in diesen Tagen gruselt: Da wird eine Partei hoffähig, die ein Sammelbecken für Gewalttäter, Rassisten, alte und neue Nazis, Faschisten, Lügner, Faktenresistente, Dummschwätzer, Homophobe, Sexiaten, Verleugner, Hasser, Menschenrechtsverächter, Rechtsextreme... ist.

Alles reine Gewohnheitssache.

Und in mir kreiseln permanent die Bilder von Ausschwitz und Dachau und von den medizinischen Versuchen, von Euthanasie und Kriegsverbrechen ... und die Chatkommentare eines Herrn Arppe und Konsorten durch den Kopf. Von den menschenverachtenden Äußerungen einer Störchin und eines Gaulands ganz zu schweigen. Über all das wird einfach hinweg gegangen, wird nicht ein einziges Mal thematisiert in den öffentlichen !gemeinsamen! Wahl"gesprächen". Es schaudert mich.

Nein, ich kann mich nicht gewöhnen und ich w i l l es auch nicht!

Irrsinn hoch 10

Irre.

Die AfD zieht solche Menschen an. Chatprotokolle - meint, da gab es ernsthaft Gesprächspartner. Unglaublich. Aber wahr. 

Über dieser Aussage sitze ich übrigens immer noch mit herunter hängender Kinnlade da -> Im Chat schwärmt Holger Arppe am 13. Oktober 2011, dass man „auf so'ner Springburg (…) schön ficken“ kann. „Hunderte Kinder und deren Familien stehen um die Hüpfburg herum und gucken“ schreibt er. Und weiter: „Dann wollen die Kinder alle mitspielen. So´n schönes zehnjähriges Poloch ist sicher schön eng…“



So wenig Mitgefühl

Sollte man sich noch die Mühe machen, auf rassistische Hetze und Hasskommentare im Netz zu antworten? Ja, sollte man! Und zwar deshalb, weil sonst der falsche Eindruck bei diesen Leuten entsteht oder sich verfestigt, sie seien gar viele. Was in der realen Welt halt so gar nicht stimmt. Außerdem ermutigt es all die schweigenden Mitlesern, die sich von den Hatern überrollt fühlen. 

Klitzekleines Beispiel:

Unter einem Bericht  im Spiegel-Online über die erbärmlichen Zustände in einem für Flüchtlinge in Libyen ->

Mein Hemd ist mir näher als meine Hose! Deren Leben und deren Leiden ist mir sowas von egal! Vor Ort sind weit wichtigere Probleme, die auf eine Lösung warten - deren Probleme gehören NICHT dazu.“

„Mag ja schlimm sein in Afrika. Aber wir können nicht alle auf nehmen. Außerdem ist es auch nicht unser Problem.“

„diese "flüchtlinge" sind nicht mal gewillt die flüchtlingsunterkünfte sauber zu halten, die wollen nur so schnell wie möglich ins gelobte fickifickiland“

„Er hat doch Recht! Unsereins kann doch nix dafür, wenn die Asylforderer zu Fikilanten mutieren...
Wir haben eh schon einen Überschuss an Männern und wie soll es in 10 Jahren erst aussehen?

„Außerdem sind das normale Lager und keine KZ's! Oder schuften die sich dort zu Tode?“

„Wenn die in ihrem Regenwald geblieben wären ,dann könnten sie duschen und alles Andere im Überfluss....“

„Na und ,die lungern jetzt auf unseren Straßen.Ich kann die N.g.r nicht mehr sehen.Nur Schmarozer.“

„Das ist mir so etwas von egal... Wen sollen wir denn noch alles aufnehmen und durchfüttern!“

„Das ist ja entsetzlich! Man sollte sie am besten in 5-Sterne-Hotels in Europa unterbingen - auf Kosten des Steuerzahlers natürlich!“

„Tragen die freiwilligen Nutzer diese für sie kostenlose Herberge nicht auch eine Verantwortung bezüglich der Reinheit und Ordnung“


ACHTUNG! Und das ist das POSITVE -> Sofort sind eine Menge, sehr viele, ausgesprochen viele, Leute da, die sachlich und informativ dagegen argumentieren. Denn, wir sind schlichtweg in der Mehrheit. Sowohl in der virtuellen, als auch in der realen Welt. 




Gesprächsführung in Sozialen Netzwerken

Interessant: Menschen mit einer rassistischen Grundhaltung halten es übrigens nur schwer aus, wenn man auf ihre verbalen Grenzüberschreitungen nicht weiter antwortet. Sie drehen dann richtig auf und werden peu à peu aggressiver und übergriffiger. Was ist das? Ein Defizit an Aufmerksamkeit? Ja, ich denke dahinter steckt eine verwirrte Seele, die nach Wahrgenommenwerden schreit. Durch den Kopf gehen mir kleine Kinder, die traurigerweise schnell gelernt haben, dass eine negative Aufmerksamkeit immer noch besser ist, als gar keine. Es ist verführerisch sich auf einen Diskurs mit so jemanden einzulassen. Man verliert jedoch immer und erreicht das Gegenüber nicht, denn es ist ein Spiel nach seinen Spielregeln, die es willkürlich ändern kann. Also gilt es, der Verführung zu widerstehen und es auszuhalten. Ich handhabe es mittlerweile so: Ich benenne, was ich sehe und wahrnehme (vor allem für die Mitlesenden) und dann ist Schluss. Nicht einfach, aber ich werde besser drin-

Das Irre ist, dass wenn man sein Spiel spielt, dann führt das Gegenüber einen Monolog und es ist egal, was man sagt, schreibt. Oder besser noch: Es führt einen Dialog mit einem imaginierten Gegenüber, welches mit dir überhaupt nichts zu tun hat. Du lieferst nur die Stichwörter, dann läuft sein eigener Film. Spannend würde es erst dann, wenn man auf einem ganz anderen Feld die Rolle des Spielführers übernimmt. Das ginge dann aber eher Richtung Therapie und das machen die meisten von uns ja nicht beim Plaudern bzw. gibt es dafür ja auch keinen Auftrag vom Gegenüber. Also am besten ins Leere laufen lassen, vielleicht entsteht dann (ich weigere mich schlichtweg nicht zu hoffen) irgendwann einen derartigen Leidensdruck, dass die Person sich professionelle Hilfe holt. Und dann werden es eh ganz andere Themen als Fremde, Homosexuelle, Merkel, oder sonst ein Platzhalterquatsch sein.

Reaktionen

Ich fasse kurz zusammen, was ich beim Überfliegen rechter Foren und Kommentare so raus gefiltert habe: 

Die Ehe für gleichgeschlechtliche Partner ist ein Sieg des Islams und öffnet die Türen für Kinderehen, sexuellen Missbrauch und Inzest. Also in etwa so: Väter heiraten ab nun die eigenen minderjährigen Söhne, vergewaltigen sie und verkaufen sie dann später an gleichgesinnte Spießgesellen weiter. Damit wird der sittliche Verfall des Abendlandes und das Aussterben des deutschen Kulturgutes endgültig besiegelt.  Eine andere Version ist, unter den gleichen Voraussetzungen (der federführende Islam und so), dass jetzt alle gleichgeschlechtlichen Paare von Moslems ermordet werden können, da ja nun registriert und dann diese Lücken in der Bevölkerung durch fanatische Islamisten (die natürlich als getarnte Flüchtlinge hierher kamen oder kommen) aufgefüllt werden. Auch hier das Ziel die totale Vernichtung der moralischen und kulturellen Werte des Abendlandes und letztendlich die Ausrottung aller nicht moslemischer, sprich biodeutscher, Menschen. … Natürlich alles unter der Regie von Frau Merkel!

Nein, sowas kann ich mir nicht ausdenken. Ich bin geplättet von so viel schwarzer Fantasie. Es muss anstrengend sein damit zu leben. So anstrengend. 

*Anmerkung
Interessant übrigens, dass in den dortigen Beiträgen immer nur von Männern die Rede ist, wenn es um gleichgeschlechtliche Eheschließungen geht. Für den psychologisch geschulten Blick ein weites, gut gedüngtes Analysefeld. 

Meine aktuelle Definition

Meine Definition von Rassismus: Abwertung und daraus folgende Diskriminierung von
Menschengruppen aufgrund von frei und willkürlich zugeschrieben negativen Eigenschaften, die sich angeblich kausal festmachen lassen an Herkunft, Ethnie, Religion, Status, Alter, Geschlecht, sexueller Identität.

Anders: Einer nicht homogenen Gruppe eine Homogenität lediglich aufgrund von Herkunft, Ethnie, Religion, Status, Alter, Geschlecht oder sexueller Identität zu unterstellen und dieser imaginierten Gruppe und jedem potentiellen Gruppenmitglied dann, pauschalisierend und willkürlich, negative Eigenschaften zuzuschreiben, um im Weiteren aufgrund der vorgeblichen Logik, Diskriminierungen zu rechtfertigen.

Gespräche

Auszug aus einem Dialog in einem sozialen Netzwerk. Meine Antwort.

Ich zitiere Sie noch mal: "Es sind nicht Flüchtlinge, die zu uns kommen, sondern Sozialschmarotzer und islamische Invasoren." <- Bedeutet: Sie verbinden den Status Flüchtling pauschal mit den abwertenden Kategorien Sozialschmarotzer und islamische Invasoren. Keine Differenzierung, sondern pauschalisierende Abwertung einer real eben nicht homogenen Gruppe. Das nenne ich Rassismus.

Gleichzeitig deuten Sie den Status "Flüchtling" um in "Invasor". Das ist ein beliebtes Stilmittel billigster politischer Propaganda und ist, in Verbindung mit einer als homogen gesetzten nicht homogenen Gruppe und einer ebensolchen angenommenen Glaubensrichtung, zutiefst rassistisch. Der abwertende Begriff "Sozialschmarotzer" wird bei uns üblicherweise zur Diskriminierung von Menschen verwandt, die von staatlicher Seite, mit Rechtsanspruch, unterstützt werden. Auch hier wird einer nicht homogenen Gruppe eine Homogenität unterstellt und diese dann mit negativen Wertungen kausal in Zusammenhang gebracht. Ist Rassismus.

"Wann begreift Ihr es endlich??!!" <- Wer ist "ihr" und wer ist dann "wir"?  Dazu gibt es eigentlich nichts zu erklären, denn das ist, mittlerweile bekannt genug, ein faktisches Merkmal von imaginierter Gruppenbildung, mit dazugehöriger negativer Abgrenzungen, zur Aufwertung der eigenen defizitären Persönlichkeit.

Es gäbe da im Ganzen sicher noch mehr herauszulesen. Aber das langt erstmal.

Die Mühe der Erklärung mache ich mir übrigens nicht für Sie, sondern für die MitleserInnen :-)

Neonazis und Gewalt gegen Kinder

Das.ist.so.wichtig.zu.verstehen!

Es ist grundlegend, weil mit einem bestimmten Welt- und Menschenbild eben auch ein bestimmtes Bild vom Kind einhergeht. Und das ist nur die Spitze des Eisberges, der da bisher angekratzt wurde. Darüber könnte ich jetzt stundenlang referieren. Aber seht und denkt selbst ->

Keine Freunde

Ich wiederhole es gerne und immer wieder:

Rassisten, Nazis und Menschenrechtsverächter können nicht deine Freunde sein, selbst wenn sie zeitweise vermeintlich als Feinde deines Feindes daher kommen.

Warum? Darum: Wen sie sich gerade als Feindbild auserkoren, unterliegt der völligen Willkür und, ganz pragmatisch, dem zufällig gerade vorhandenen Angebot an potentiellen Zielscheiben für ihren Hass, ihren Sadismus und ihren pathologischen Größenwahn.

Schon bei der nächsten Umdrehung der Zeitschleife könntest du das sein.

Eure Freundschaft, so es sie denn gäbe, wäre kein Grund, dich nicht durchs propagandistische Dorf zu jagen und dem Schlächter mitleidslos vor die Füße zu werfen.

So einfach ist das. 

Spät

Jetzt hat das polnische Institut für Nationales Gedenken (IPN) eine Datenbank online gestellt, in der die Namen von 8502 Deutschen erfasst sind, die zwischen 1940 und 1945 im größten aller Konzentrationslager (Auschwitz) tätig waren.

Besser zu spät als nie. Es bleibt jedoch die Frage meiner Generation (56 geboren) an die Vorderen:

"Warum habt ihr das alles so lange todgeschwiegen? Wir haben doch gespürt, dass da etwas war. Doch ihr habt geschwiegen, seid unseren Fragen ausgewichen. Und viel schlimmer, ihr habt uns mit den Tätern aufwachsen lassen. Sie waren unsere Ärzte, Lehrer, Heimleiter, Richter und mehr."

Es geht nicht um Schuld, es ging und geht um Verantwortung. Für damals, für jetzt, für die Zukunft.

Widerlich.

Gerade habe ich ein Bild gesehen, (das ich hier nicht teilen, sondern nur beschreiben werde) das meine Grenzen mit brachialer Gewalt überrollt. Veröffentlicht wurde es auf Fb:

Eine absolut ausgemergelte, verhungerte junge Frau (ihr kennt die Bilder von den KZ Befreiungen), nackt, stehend, mit einer (per Bildbearbeitung hinzugefügten) Schärpe um den Körper auf der steht: Miss Auschwitz 1943.

Text zum Bild: „…und hier noch ein Knaller zum Wochenende.“

Kommentare drunter: „… damals hatten die Mädels wenigstens noch Linie“, „und Anstand“, „… und gaben sich auch mit wenig zufrieden“, ergänzt durch lachende Smileys, hochgereckten Daumen.

Es gibt keine Worte, die ich hier schreiben könnte, weil sie alle viel zu schwach sind, um auch nur annähernd auszudrücken, was ich gerade empfinde.

Ich verstehe immer besser, wie Hass in einem entstehen kann.


*Nachtrag

Der Beitrag mit Foto wurde inzwischen von Fb gelöscht. Anzeigen wurden erstattet. 

Deutschland – eine Diktatur?

Anmerkung an all diejenigen, die meinen, mir den Kopf voll schwafeln zu müssen von wegen wir hätten hier in Deutschland eine Diktatur: Ich war in Griechenland zur Zeit der Diktatur; ich habe im Iran gelebt, als die Pasdaran noch ausschließlich die Straßen beherrschten; ich war in der Türkei, als die Kurdenverfolgung einen ihrer Höhepunkte hatte; ich war in Portugal und Spanien und ich habe damals die Überlebenden aus Chile kennengelernt … und, und, und. Erzählt mir also nix über Diktatur. Ihr habt nicht mal einen Hauch von Ahnung, was das wirklich bedeutet. Ihr könnt es euch in euren schlimmsten Albträumen nicht mal im Ansatz vorstellen.
Ja, es läuft eine Menge schief und quer in diesem, meinem Land, eine ganze Menge, aber! von einer Diktatur sind wir meilenmeilenweit entfernt. Und weil das so ist, kommt mir doch der schräge Gedanke, dass ihr, die ihr so widerwärtig und sinnentleert schreit und hetzt, euch ganz tief innerlich sehnt nach einem verklärten Etwas, das, würde es denn hier um euch drum herum existieren, euch von jetzt auf gleich den Boden unter den Füßen und jedwede Existenzgrundlage entziehen würde. Ihr wäret die ersten, die in einer Diktatur elendig verrecken würdet. Oder, oder ihr würdet zu besinnungslosen Handreichern und Speichelleckern der diktatorischen Gewalt und des Staatsterrorismus werden. Aber auch das würde ja bedeuten, dass ihr innerlich schon längst tot wäret.

Also, lasst es einfach sein mit eurem Gehetze und eurem irrealen Gejammer. Und wenn ihr, aus welchen pathologischen Gründen auch immer, damit nicht aufhören könnt, seid wenigstens ein klein wenig dankbar dafür, dass ihr in einem Land lebt, in dem ihr euren Hass und Wahn ohne gravierende Folgen für Leib und Seele laut hinaus rotzen dürft. Mein Land hält dies, wenn auch völlig abgenervt, aus und ich letztendlich auch. Weil wir eben nicht in einer Diktatur leben.